» Exkurs: Karl Ettlinger
Vita: Karl „Karlchen“ Ettlinger, 22. Januar 1882 – 29. Mai 1939
Karl Ettlinger wurde am 22. Januar 1882 in Frankfurt am Main geboren. Seine Eltern, der Kaufmann Emil Ettlinger und dessen Ehefrau Mathilde geb. Oppenheim, betrieben hier eine „Fabrik vorgezeichneter und angefangener Handarbeiten“. Der Familientradition entsprechend, sollte Karl Ettlinger Kaufmann werden und wurde bei dem Frankfurter Bankgeschäft Lincoln Menny Oppenheimer in die Lehre gegeben.
Nach vier Jahren im Bankfach hielt er, der - wie er selbst sagte - „ungefähr so viel Talent zum Bankier wie die Kuh zum Foxtrott“ hatte, es nicht mehr aus und ging als Volontär des Eugen-Diederichs-Verlags nach Leipzig. Aber auch diese - wiederum kaufmännische - Tätigkeit missfiel dem jungen Mann, der sich seit seiner Schulzeit im Dichten versucht hatte. Kurzerhand sandte er einige seiner Werke an Zeitungsredaktionen ein, und tatsächlich wurde manches seiner satirischen Gedichte veröffentlicht. Auch die 1896 von Georg Hirth gegründete Münchner Wochenzeitschrift Jugend brachte 1902 erste Texte von Karl Ettlinger. „Dieser Erfolg“, so Ettlinger 1906 in einem Brief an Franz Brümmer, „ermunterte mich, aufs Geratewohl einmal an den Herausgeber der Jugend zu schreiben, ob er mich nicht als Verlagsgehülfe, Sekretär oder sonst irgendwas engagieren wollte? Das Resultat des sich an dieses Schreiben anknüpfenden Briefwechsels war ein Probe-Engagement auf zwei Monate. Nach dessen Ablauf wurde ich als Redaktionssekretär fest angestellt und avancierte nach verhältnismäßig kurzer Zeit zum Redakteur.“
Über 25 Jahre lang blieb Karl Ettlinger Mitarbeiter der Jugend in München. Unter dem Pseudonym „Karlchen“, das zu seinem Markenzeichen werden sollte, kommentierte er die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ereignisse der Zeit in satirischen Gedichten und Glossen. Für die Jugend entstanden auch seine ersten Mundartgedichte „von eme alde Frankforder“ (1903). Daneben schrieb der äußerst produktive Autor für weitere Zeitungen und Zeitschriften, veröffentlichte seine besten Humoresken und Gedichte in Sammelbänden, verfasste heitere Nachdichtungen antiker Werke sowie parodistische Erzählungen in fingierter Tagebuchform und versuchte sich als Bühnendichter.
Während des Ersten Weltkriegs schrieb Karlchen, von der allgemeinen Kriegsbegeisterung erfasst, satirische Kriegsberichte und Lieder eines Landsturmmannes für die Jugend. Am 29. März 1915 zog Ettlinger als Soldat in den Krieg und wurde am 25. Juli 1916 an der Westfront schwer verwundet.
Seit 1918 wirkte Ettlinger als freier Schriftsteller und Vortragskünstler. Er schrieb weiterhin für die Jugend (bis 1927) sowie für viele andere Zeitungen und Zeitschriften. Beliebt wurden besonders seine weitverbreiteten Karlchen-Humoresken über Karlchens groteske Abenteuer im tückischen Alltag. Außerdem verfasste Ettlinger Kriminalromane, einen Zukunftsroman und vor allem Novellen, darunter Der Widerspenstigen Zähmung (1919), sein erzählerisches Meisterwerk. 1931 kam dann sein letztes Buch heraus, eine Humoreskensammlung mit dem Titel Der ewige Lausbub.
Von den Nationalsozialisten wurde Ettlinger als jüdischer Autor verfemt und verfolgt. 1933 bereits hatte sich der Schriftsteller daher auf seinen früheren Sommersitz am Tegernsee zurückgezogen. Nach dem Novemberpogrom 1938 dann musste er, dem inzwischen längst das Schreiben verboten worden war, Egern am Tegernsee verlassen. Karl Ettlinger starb am 29. Mai 1939 angeblich infolge einer Gallenoperation in Berlin. Die Urne mit seiner Asche wurde nach Frankfurt am Main gesandt und im Grab der Eltern auf dem Jüdischen Friedhof in der Rat-Beil-Straße beigesetzt. Dort erinnert eine Gedenkplatte an den Schriftsteller Karl Ettlinger.
© Sabine Hock
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Aktualisierung: 27.05.2018